Traumfänger.

Das Jahr 1969 wird als eines der spektakulärsten in die Historie des vergangenen Jahrhunderts eingehen und das liegt nicht nur an der Mondlandung. Denn auf der Frankfurter IAA im September stellte Mercedes-Benz einen spektakulären Technologieträger vor, der die Herzen schneller schlagen lässt: den Mercedes-Benz C 111. 

So ein Auto hatte die Welt noch nicht gesehen. Eine orangefarbene Flunder, die einen von Rennerfolgen träumen ließ. Kein Wunder, dass direkt nach der automobilen Leitmesse eine Reihe von Blankoschecks in der Zentrale in Untertürkheim eintrafen, denn diesen Traumwagen wollten viele – egal, was er auch kostete. Dabei war der 4,40 Meter lange und 1,10 Meter flache Flügeltürer keineswegs gedacht gewesen, um der Sportwagenlegende Mercedes-Benz 300 SL zu folgen. 

Der Mercedes-Benz C 111 ist eine Legende: als Traumsportwagen mit Wankelmotor, als Diesel-Rekordwagen und als Rundstrecken-Rekordjäger mit V8-Motor.

Der Mercedes-Benz C 111 stammt aus der Hand des damaligen Jungdesigners Bruno Sacco – auch das betont technisch gestaltete Heck.

Einzigartiges Styling.

Der C 111 war ein Experimentalfahrzeug, um Technologien zu testen, die in ihrer Kombination bahnbrechend waren. Dabei ging es nicht nur um den Wankelmotor und das Mittelmotorkonzept, sondern auch um fortschrittliche Fahrwerkskonstruktionen und Kunststoffkarosserien. Und dazu kam ein schlicht atemberaubendes Design.

Mercedes-Benz C 111 ist dabei nicht gleich C 111. Von der Flunder in der Farbe Weißherbst gab es zwei verschiedene Generationen, wobei die bekanntere die Variante II ist, die ihre Premiere auf dem Genfer Automobilsalon im Frühjahr 1970 feierte. Sie hatte im Vergleich zum Erstlingswerk von der IAA eine komplett andere Front und eine ganze Reihe von Detailverbesserungen. Von sich reden machte der C 111 jedoch nicht allein durch sein einzigartiges Styling und die spektakuläre Lackierung, sondern insbesondere durch den Wankelmotor, mit dem der in Handarbeit gefertigte Traumsportwagen ausgerüstet war. 

Zwei Generationen mit Wankelmotor.

Hatte der IAA-Wagen von 1969 noch einen Drei-Scheiben-Wankelmotor mit 206 kW / 280 PS, erstarkte der Doppelsitzer im Winter 1969/70 durch eine weitere Rotationsscheibe auf 257 kW / 350 PS, die den C 111-II bis zu 300 km/h schnell machte. Die Rotationskolbenmotoren konnten dabei ihre Vorteile wie turbinenartigen Lauf, kompakte Abmessungen und vorbildliches Ansprechverhalten eindrucksvoll unter Beweis stellen. Doch auch wenn die Entwickler von Mercedes-Benz aus dem Wankelmotor herausholen, was das Konzept hergibt, genügt das Resultat nicht den hohen Standards von Mercedes-Benz hinsichtlich Zuverlässigkeit und Lebensdauer.

Von den insgesamt zwölf gebauten Exemplaren wurden elf mit einem Wankelmotor angetrieben, und das letzte Fahrzeug wurde 1975 als Turbodiesel-Versuchsträger aufgebaut. Zwei Fahrzeuge, je eines aus der ersten und der zweiten Serie, wurden zu Erprobungs- und Vergleichszwecken zeitweise mit Achtzylinder-Benziner ausgerüstet. 

Fast wie ein Ufo aus dem Jahre 1970 – der C 111 vor dem einzigartigen Bergpanorama des Montafons.

Dieser Mercedes-Benz C 111 ist seit 2014 – wie schon 1970 – wieder mit einem 3,5-Liter-V8-Motor ausgerüstet.

Vergleichsmodelle mit V8-Benziner.

Der 3,5 Liter große V8, der 147 kW / 200 PS leistet, trieb unter anderem die 1969 präsentierten Modelle 300 SEL 3.5, 280 SE 3.5 Coupé und Cabriolet sowie den 1971 eingeführten 350 SL an und war mit seiner elektronisch geregelten Benzineinspritzung seinerzeit das modernste, was Mercedes-Benz bei den Serienmotoren zu bieten hatte. Während das 3,5 Liter große M 116-Triebwerk bei den Vorläufern der S-Klasse an eine Getriebeautomatik oder ein Viergang-Schaltgetriebe gekoppelt war, arbeitet er im C 111 mit einer Fünfgang-Handschaltung zusammen. Der M 116 wurde Ende 1970 in das fünfte Fahrzeug der zweiten Serie eingebaut, da zum Zeitpunkt der Fertigstellung gerade kein weiterer Vierscheiben-Wankelmotor verfügbar war, die Fahrerprobung jedoch beginnen sollte.

Die stilechten Pepitasitze gab es nicht nur in Schwarz-Weiß, sondern auch in Orange. Perfekt abgestimmt auf die Außenfarbe Weißherbst.

Supersportwagen für den Alltagsbetrieb.

Radio, Zigarettenanzünder und Aschenbecher demonstrierten die Alltagstauglichkeit des faszinierenden Fahrzeugs. Rauchen war in den frühen 1970er-Jahren genauso Trend wie die Farbe Weißherbst, Schlaghosen oder Klebeblumen. Über dem hochkant verbauten Radio befinden sich im Armaturenbrett mehrere Runduhren, die Aufschluss über die Temperaturen von Wasser und Öl, das Tankvolumen und Öldruck geben. 

Die Flügeltüren im Stile des Mercedes-Benz 300 SL waren mit eingeklebten Scheiben versehen und ein kleines Klappelement in Höhe der Sportsitze im zeitgemäßen Pepita-Muster ließ über einen Drehregler etwas Frischluft einströmen. Einziger Wermutstropfen des Traumsportwagens: Im relativ engen Innenraum steigen die Temperaturen trotz der eingebauten Klimaanlage schnell an.

Der Motor des Mercedes-Benz C 111 – ob Vierscheiben-Wankel, Turbodiesel oder wie hier als V8 – braucht jede Menge Kühlluft, die über die seitlichen Lufteinlässe zugeführt.

Faszination pur.

Um den Traumsportwagen von 1970 im Fahrbetrieb demonstrieren zu können und zugleich die Originalsubstanz der noch verfügbaren Wankelmotoren für die Nachwelt zu erhalten, hat Mercedes-Benz Classic eines der Fahrzeuge im Jahr 2014 wieder mit einem M 116 ausgerüstet – aus Originalitätsgründen übrigens das gleiche Exemplar, das auch 1970 schon mit diesem Motor betrieben wurde. Der Umbau erfolgte in der Prototypen-Werkstatt der Pkw-Entwicklung in Sindelfingen – in der gleichen Abteilung, die auch 1970 bereits den Motorentausch vorgenommen hatte.

Dieselrekorde purzelten.

Nachdem die immer wieder geforderte Serienproduktion des C 111 aus einer Reihe von Gründen schließlich endgültig zu den Akten gelegt wurde, begann das zweite Leben des spektakulären Sportwagens. Der Mercedes-Benz C 111 sollte ab 1975 die Leistungsfähigkeit von Dieselmotoren demonstrieren. So wurde ein 3-Liter-Turbodiesel vom Typ OM 617 als Mittelmotor verbaut, der für die Serienproduktion vorbereitet wurde und ab 1977 speziell in den US-Modellen der Baureihen 116 und 123 zum Einsatz kommen sollte. Hatte die Serienversion als Saugmotor eine Leistung von 59 kW / 80 PS, so leistete das aufgeladene Triebwerk im C 111 dank Garrett-Abgasturbolader und Ladeluftkühler zunächst 140 kW / 190 PS und 363 Nm maximales Drehmoment.

Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Nardò durchbrach der äußerlich fast unveränderte C 111 im Juni 1976 nahezu alle gültigen Rekorde für Dieselmotoren. Auf einer Strecke von 16.000 Kilometern fuhr die orangefarbene Flunder in einer 64-stündigen Rekordfahrt mit vier sich abwechselnden Piloten ein Durchschnittstempo von 252 km/h. 

Der Motor wurde hinter der Fahrgastzelle als Mittelmotorkonzept verbaut. Das sorgt für eine ideale Gewichtsverteilung. 

1978 stellte der Mercedes-Benz C 111-IV einen neuen Rundstreckenrekord auf. Ein 500 PS starker, doppelt aufgeladener V8-Motor machte ihn fast 404 km/h schnell.

V8-Turbo mit 500 PS.

Bei der Rekordfahrt wurde klar, dass in Motor und Wagen noch weitere Potenziale schlummerten. Daraufhin entstand 1977 in zwei Exemplaren eine dritte Ausbaustufe des C 111, die gegenüber ihrem Vorgänger entscheidende Neuerungen aufwies: eine Bodengruppe mit längerem Radstand und schmalerer Spur, eine aerodynamisch optimierte Karosserie mit einem cW-Wert von nur 0,157 und einen nochmals leistungsgesteigerten Fünfzylinder-Turbodiesel mit 129 kW / 230 PS.

Der nun silbern lackierte Rekordwagen C 111-III erreichte in Nardò bei einer zwölfstündigen Rekordfahrt neun Geschwindigkeits-Weltrekorde und elf internationale Klassenrekorde mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von rund 320 km/h. Der Durchschnittsverbrauch bei der Vollgastour: geradezu sensationell geringe 16 Liter pro 100 Kilometer. 

Spektakuläre Rekordfahrt.

Die Rekordfahrt im April 1978 kam gerade rechtzeitig zur Markteinführung des 300 SD, der als weltweit erster Turbodiesel-Serien-Personenwagen und zugleich erste S-Klasse mit Dieselmotor Automobilgeschichte schrieb. 

Für eine weitere spektakuläre Rekordfahrt wurde einer der beiden Rekordwagen umgebaut: Der C 111-IV erhielt eine nochmals überarbeitete Karosserie mit Frontspoiler und zwei Seitenflossen im Heck sowie einen deutlich leistungsstärkeren Motor. 

Eine auf 4,8 Liter Hubraum aufgebohrte Variante des 4,5-Liter-Serien-V8-Motors, der dank Biturboaufladung 368 kW / 500 PS erreichte.  Ziel war die Einstellung des 1975 von Mark Donohue aufgestellten Rundstreckenrekords. Im Mai 1979 fuhr der Mercedes-Benz C 111-IV, wiederum auf der Rekordstrecke in Nardò, fast 404 km/h und übertraf Donohues Rekord um nahezu 50 km/h.