Plakative Automobilgeschichte.

Von der ersten Automobilwerbung der Weltgeschichte bis hin zum modernen grafischen Plakat im Großformat erzählen diese Werbeplakate eindrucksvoll die Unternehmensgeschichte und stehen heute als einzigartige Kunstwerke für die Zeitgeschichte und ihre Epoche.

Dieses Plakat von 1921 (Ottofranz Kutscher) zeigt den Mercedes 28/95 PS als Phaeton.

Von Erfindermut und Ängsten.

„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Das berühmte Zitat des französischen Schriftstellers Victor Hugo hat sich oft bewahrheitet. Und doch liegt es in der Natur des Menschen, Neuerungen anfangs eher skeptisch entgegenzutreten.

So vertraut in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts kaum ein Mensch auf die Zukunft des neu erfundenen Automobils – von Ausnahmen wie Gottlieb Daimler, seinem Chef-Konstrukteur Wilhelm Maybach und Carl Benz abgesehen.

Geschäftsempfehlungen.

„Es glaubte in damaliger Zeit niemand, dass es jemals einem Menschen einfallen werde, statt des vornehmen Pferdefuhrwerks solch ein unzuverlässiges, armseliges, puffendes und ratterndes eisernes Fahrzeug zu benutzen“, berichtet Benz. Er und die anderen Vorreiter haben mit der Erfindung des Automobils ein Tor aufgestoßen. Doch die Angst vor Pannen, das Unverständnis gegenüber der neuen Technik und die daraus resultierende mangelnde Nachfrage säumen die schwierigen Anfangsjahre. Die Menschen müssen in erster Linie davon überzeugt werden, dass dieses neue Gefährt harmlos ist. Benz ist jedoch kein großer Freund der Werbung, die man damals vornehm „Geschäftsempfehlung“ nennt. Er vertritt die Ansicht, dass die Qualität eines Produktes für sich selbst sprechen muss. Trotzdem schaltet er 1888 für den Patent-Motor-Wagen die erste Automobilanzeige der Welt.

„Vertrauenswerbung“ steht ab jetzt immer im Mittelpunkt. Versprechen wie „Absolut gefahrlos“, „Keine besondere Bedienung“ oder „immer sogleich betriebsfähig“ finden sich auf den ersten Drucksachen.

Die erste Automobilwerbung der Welt von 1888 zeigt den Patent-Motor-Wagen. (Ausschnitt)

Ludwig Hohlwein, der bekannteste deutsche Plakatkünstler, gestaltete um 1913 ein Plakat für den 37/90-PS-Kettenwagen. (Ausschnitt)

Die Eroberung der Straßen.

Ohne die drastischen Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen im 19. Jahrhundert hätte es die ersten Automobile 1886 nicht gegeben. Doch die Eroberung der Straßen durch das Automobil ist ein langsamer, mit Schwierigkeiten verbundener Prozess, in dem soziale, ökonomische und politische Faktoren eine Rolle spielen. Zum Beispiel wächst die Bevölkerung Deutschlands innerhalb eines Jahrhunderts um nahezu 150 Prozent auf 56 Millionen. Landflucht und Verelendungen in den Ballungszentren gehen einher mit geringen Einkommen und niedriger Kaufkraft. Trotzdem machen Bevölkerungsbewegung und Industrialisierung Kraftantriebe und Verkehr immer wichtiger – ohne Beweglichkeit keine Arbeit, kein Brot. Die Demokratisierung der Mobilität setzt in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein, während Henry Ford in den USA schon fast 50 Jahre früher die Massenmotorisierung einläutet.

Ungefährlich und alltagstauglich.

In der Berichterstattung der Presse geht es in erster Linie darum, den „Wagen ohne Pferde“ bekannt zu machen und dies mit dem Erbauer in Verbindung zu bringen, eine Marke zu schaffen. Danach wird die Ungefährlichkeit, Betriebssicherheit und Alltagstauglichkeit betont.

Neben der Presse wirbt die Daimler-Motoren-Gesellschaft mit Titeln von nationalen und internationalen Ausstellungen. Noch bedeutungsvoller sind die Automobilrennen, deren Öffentlichkeitswirkung riesig ist und die Marke auch international berühmt machen.

Slogans wie „Mercedes-Benz überstrahlt alles“, „Vornehmheit ... frei von Prunk und Modelaunen“ oder „Das letzte Wort“ zeugen von einer wortgewaltigen Sprache und geben der Marke Gestalt.

Auf dem Siegeszug.

Im Jahr 1926 fusionieren die Unternehmen Daimler und Benz „… um Personenwagen und Nutzfahrzeuge in unübertrefflicher Güte preiswert darbieten zu können“. Der Dreizackstern von Mercedes und der Lorbeerkranz von Benz bilden nun das neue Markenzeichen, die Anzeige zur Bekanntgabe der Fusion strahlt Erfolgsgewissheit aus. Das und der Kampf um Anerkennung, um das Durchsetzen der eigenen Maxime und Behaupten gegen den Wettbewerb sind Leitmotive der Werbekampagnen von damals. Mal wird bescheiden nur der Name genannt, mal wird mit dem „Gipfel der Vollendung“ getitelt. Stilreine Grafiken und eher etablierte Motive wechseln sich mit experimentellen, schrill-bunten Anzeigen ab – und doch ist Werbung von Mercedes-Benz meist von ernsthaftem Charakter. Im Fokus stehen Stil und die Gepflogenheiten der „guten Gesellschaft“.

Der Stern ihrer Sehnsucht.

Erst nach Mitte der 50er Jahre, als Daimler-Benz die Dienste einer Werbeagentur in Anspruch nimmt, wird die Werbung systematischer, klarer und moderner. Zunehmend bestimmt das Automobil als Objekt der Begierde die Werbeanzeigen. Sehnsüchte, Wünsche, Projektionen – diese Motive stehen im Mittelpunkt. Ebenso bestimmte Fahrzeugtypen.

Das Automobil wird zum Status- und Prestigesymbol stilisiert. Zunehmend dominierender sind auch die Frauengestalten, die sich in zweierlei Typen unterscheiden lassen: auf der einen Seite die suggestiv-erotische Frau, auf der anderen die sportlich-diabolische Rennfahrerin.

Dieser Anzeigenentwurf von 1929 (Peag) greift Elemente des Konstruktivismus auf und nimmt innerhalb der Mercedes-Benz Werbung eine absolute Sonderstellung ein.

Die „Roaring Twenties“.

Wie selbstverständlich steuern in den 1920er Jahren weibliche Fahrer die Karossen durch den Alltag und entsprechen dem neuen Selbstverständnis der Frau. Die weibliche Werbeikone von damals ist sportlich, selbstbewusst, romantisch und raffiniert. Ihr werden gutes Urteilungsvermögen und Einfluss auf die Männer zugetraut – schließlich wünscht sie sich ein Automobil von ihm („Der Stern ihrer Sehnsucht“). Archaisch wirkende Herren mit Lederkappen und Rennbrillen „begleiten“ sie. Großen Wert legen die Künstler der Anzeigen auf die Wiedererkennbarkeit des dargestellten Fahrzeugs. Anfang der 30er Jahre tritt ein zunehmendes Traditionsbewusstsein zu Tage. Die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise bewältigt Daimler-Benz mit einer Werbestrategie, die sich auf die angestammten Fahrzeugklassen stützt.

Von Sieg zu Sieg.

1931 muss das Unternehmen unter dem Druck der Krise sein Engagement im Sport beenden. Allerdings entstehen 1938/39 die Anzeigen im Stil der Rennsiegplakate, bis schließlich im Frühjahr 1952 der Prototyp 300 SL für den Rennsport erscheint und das Thema neu belebt. Mit künstlerischem Anspruch gemalte Rennsiegplakate aus aller Welt ehren nicht nur die Helden am Steuer, sondern weisen auch auf die technische Überlegenheit der Sportwagen hin: Der 300 SL Rennsportwagen beweist auf den internationalen Rennpisten seine Stärke mit Technik, die zum Teil aus zeitgenössischen serienmäßigen Personenwagen von Mercedes-Benz stammt.

Die Rennerfolge geben der Marke neuen Glanz, und die aufwendig inszenierten Rennsiegplakate transportieren ein neues Selbstbewusstsein.

Jedes Versprechen gipfelt allerdings in die auch heute noch geltende Maxime: „Das Beste oder nichts“.

„Das muss ein Mercedes-Benz gewesen sein!“

In den 1950er- und 1960er-Jahren wird es üblich, Frauenbildnisse in der Kommunikation einzusetzen. Häufig als lächelnde Beifahrerin, die den weitgereisten Herrn auf seinen Spritztouren begleitet – aber auch als selbstbewusste Selbstfahrerin hinterm Lenkrad. Während der männlichen Kundschaft automobile Fachkompetenz unterstellt wird, interessiert man die Damenwelt in zunehmendem Maße für die Themen Sicherheit, Komfort und Wirtschaftlichkeit. Werbeslogans wie „Wenn ein neuer Mercedes kommt, dann kommt ein neues Auto“ und „Gelassenheit beim Fahren“ deuten einen neuen Weg an, den die Marke beschreiten wird.