Der Traum vom absoluten Geschwindigkeitsrekord.

Mehr als acht Meter lang, angetrieben von einem bis zu 2.574 kW (3.500 PS) starken Daimler-Benz Flugmotor und für eine Geschwindigkeit von bis zu 650 km/h ausgelegt: Der Mercedes-Benz Rekordwagen T 80 ist im Jahr 1939 der Automobil gewordene Traum vom absoluten Geschwindigkeitsweltrekord. Die Rekord-Vision wird zwar nie zur Wirklichkeit, denn wegen des Zweiten Weltkriegs kommt es nicht zu den geplanten Rekordfahrten. Aber die Faszination T 80 ist nach acht Jahrzehnten so groß wie damals. Dafür steht seit vielen Jahren das Originalexponat im Mercedes-Benz Museum.

Faszinations-Maschine.

Aufgrund der Präsentation an der Wand, seit 2006 in der Steilkurve am Ende des Ausstellungsbereichs „Mythos 7: Silberpfeile – Rennen und Rekorde“, ist hier nur die originale Karosserie mit ihrem Rohrrahmen und den originalen Rädern ausgestellt. Auf das äußerlich nicht sichtbare Chassis wurde aus Gewichtsgründen verzichtet.

Jetzt öffnet sich ein ganz neuer Blick auf den Rekord-Riesen: Die Spezialisten des Mercedes-Benz Classic Centers haben das Original-Fahrgestell des T 80 mit seinen Aggregaten als faszinierendes Schaustück aufbereitet. Dazu gehören auch ein authentisch rekonstruierter Gitterrohrrahmen und ein Schnittmotor des Typs DB 603. Beim 25. Goodwood Festival of Speed im Juli 2018 in England hatte das eindrucksvolle Exponat Weltpremiere.

Einzigartiges Schauobjekt.

Den Gitterrohrrahmen, der als Unterbau für die Karosserie dient, haben die Experten von Mercedes-Benz Classic anhand von Originalzeichnungen rekonstruiert. Sein Bau aus rund 150 Meter Stahlrohr im Mercedes-Benz Classic Center dauert drei Monate.

Das Gesamtprojekt der Wiederaufbereitung beginnt im Jahr 2016. Es führt mit einzigartiger Kompetenz und großer Sorgfalt zum Erfolg: Heute präsentiert sich das Innere des T 80 wieder genau so, wie es die Ingenieure vor acht Jahrzehnten konstruiert und gebaut haben – und wie es auch zeitgenössische Bilder zeigen.

150 Meter Stahlrohr von Hand verschweißt: Präzisionsarbeit im Mercedes-Benz Classic Center für den T 80.

Inspiration, Konstruktion und Organisation: Rennfahrer Hans Stuck hat die Idee zum Mercedes-Benz Rekordwagen T 80, Ingenieur Ferdinand Porsche entwirft das Fahrzeug, Daimler-Benz Vorstandsvorsitzender Wilhelm Kissel verwirklicht das Vorhaben in seinem Unternehmen (von links).

Vier Männer und ihr Traum.

Die Idee für den Mercedes-Benz Rekordwagen T 80 geht auf den Rennfahrer Hans Stuck zurück. Er will Ende der 1930er-Jahre den absoluten Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge aufstellen. Stuck geht das Vorhaben mit drei maßgeblichen Persönlichkeiten an: mit dem Daimler-Benz Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kissel sowie mit Ingenieur Ferdinand Porsche und dem Luftwaffengeneral Ernst Udet.

1936 beginnen die Planungen. Ziel ist es, einen Rekordwagen zu bauen, der schneller fährt als jedes andere Landfahrzeug zuvor. Die Messlatte dafür liegt hoch: Insbesondere britische Rennfahrer stellen in den 1930er-Jahren immer neue Rekorde auf. Am 23. August 1939 setzt John Cobb mit dem „Railton Special“ eine neue Bestmarke von 595,04 km/h über den fliegenden Kilometer. Wegen dieser in den Vereinigten Staaten erzielten Rekorde wird die Zielgeschwindigkeit des T 80 während der Konstruktions- und Bauzeit immer weiter nach oben verschoben: von 550 km/h auf schließlich bis zu 650 km/h.

Silberpfeil-Rekorde.

Das sind selbst für Mercedes-Benz neue Dimensionen. Dabei hat die Stuttgarter Marke immense Erfahrung mit Geschwindigkeitsrekorden. Bisheriger Höhepunkt ist der Weltrekord auf öffentlichen Straßen, den Rudolf Caracciola am 28. Januar 1938 aufstellt: Mit dem Mercedes-Benz Rekordwagen W 125 erreicht er 432,7 km/h auf der Autobahn Frankfurt-Darmstadt.

Das Projekt T 80 wird im Unternehmen aber auch kritisch gesehen. Warum soll Auto-Union-Rennfahrer Stuck den absoluten Weltrekord auf Mercedes-Benz erringen und nicht Silberpfeil-Stammpilot Caracciola? Doch Stuck kann auf seine lange Verbindung zur Stuttgarter Marke verweisen: Auf Mercedes-Benz SSKL wird er 1932 internationaler Alpenmeister und Bergmeister von Brasilien.

44,5 Liter Hubraum für den Weltrekordwagen: Der T 80 wird schließlich mit einem Mercedes-Benz Flugmotor DB 603 ausgestattet. Das Bild zeigt das Fahrzeug Ende der 1930er-Jahre mit dem Versuchsmotor aus der Entwicklung.

Mit dem Flugmotor zum Weltrekord.

1936 startet ein Telegramm von Stuck an Kissel das Projekt T 80. Den Konstruktionsvertrag mit Porsche schließt die Daimler-Benz AG 1937. Gleichzeitig beginnt die Suche nach dem perfekten Antrieb. Der Mercedes-Benz Flugmotor DB 601 liegt nahe: Er wird bei Flugrekorden in den Jahren 1938 und 1939 bis zu 2.036 kW (2.770 PS) erreichen.

Ein Flugmotor darf nur mit Zustimmung des Luftfahrtministeriums verwendet werden. Mercedes-Benz erhält im Februar 1937 die offizielle Freigabe für den Einbau eines DB 601. Derweil hat Porsche das Fahrzeugkonzept schon weit vorangetrieben. Es entsteht ein Rekordwagen mit drei Achsen und mittig angeordnetem Flugmotor mit hängenden Zylindern. Für eine Rekordgeschwindigkeit von 550 km/h nach fünf Kilometern Strecke errechnet der Ingenieur eine Motorleistung von mindestens 1.618 kW (2.200 PS), besser aber 1.838 kW (2.500 PS).

Hochtechnologie für den T 80.

Mercedes-Benz entschließt sich 1939, den T 80 mit einem Motor vom Typ DB 603 auszustatten. Dieses Baumuster ist noch im Versuchsstadium und wird erst ab 1941 in Serie gebaut. Aber die Ingenieure gehen davon aus, dass der 44,5-Liter-V12-Motor bei dem Rekordversuch bis zu 2.574 kW (3.500 PS) bei 3.200/min erreichen kann. Dazu soll er mit einer Mischung aus zwei Spezial-Rennkraftstoffen betrieben werden.

Ebenfalls 1939 wird ein maßstabsgetreues Modell des T 80 im Windkanal von Zeppelin in Friedrichshafen vermessen, um den Abtrieb zu optimieren: stark genug, um die ganze Kraft des Motors auf die Straße zu bringen, aber zugleich so gering wie möglich, um die Reifen mit ihren dünnen Laufflächen nicht zu überlasten. Tatsächlich wird die Oberfläche der Abtriebsflossen nach den Messungen noch einmal um 3,65 Quadratmeter verringert.

Authentische Spuren.

Doch nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird das Projekt T 80 im Frühjahr 1940 eingestellt. Den Motor DB 603 gibt Mercedes-Benz an das Reichsluftfahrtministerium zurück. Das Fahrzeug wird eingelagert.

Nach Kriegsende ist der Rekordwagen T 80 im Museum des Unternehmens im Werk Untertürkheim zu erleben. Auch das neue, 2006 eröffnete Mercedes-Benz Museum vor den Toren des Werks Untertürkheim zeigt ihn. Dort führt der T 80 in der Dauerausstellung mit originaler Karosserie, Gitterrohrrahmen und Rädern eine ganze Reihe legendärer Mercedes-Benz Rekordwagen an – die authentischen Spuren des noch nicht ganz vollendeten Projektes von 1940 inklusive.

Zeitreise mit mehr als 600 km/h.

Nun ist auch das originale Fahrgestell wieder in seiner ganzen packenden Kraft zu erleben. Denn der nach den Konstruktionszeichnungen der 1930er-Jahre erstellte Gitterrohrrahmen zeigt nicht nur die Form und Dimension des spektakulären Fahrzeugs – er gibt auch den Blick frei auf das Innere des T 80. Neben den Technikkomponenten gehört dazu auch das komplette Cockpit mit Lederlenkrad, Pedalerie und Instrumenten sowie der mit dem originalen Stoff bezogene Fahrersitz.

Links neben dem Fahrersitz: das originale Typenschild mit der Beschriftung „Daimler-Benz Aktiengesellschaft Typ 80“ sowie Fahrgestellnummer und Auftragsnummer. Zusammen mit dem sorgfältig und mit höchster Authentizität nachgefertigten Gitterrohrrahmen und den ebenfalls neuen Speichenrädern lädt das Fahrgestell den Betrachter nun zu einer Zeitreise über acht Jahrzehnte ein – mit dem Gefühl einer Rekordgeschwindigkeit weit über 600 km/h.